Mittwochabend: Männerfrei!    |    Nenn mich nicht Mutti    
     
 
Leseproben

"Mittwochabend: Männerfrei!"

Das Experiment

„Heute lief aber auch alles daneben!“, beklagte sich Renate bei Marion und mir, während sie gelegentlich an ihrem Prosecco nippte. Sie hoffte, sich mit Hilfe der prickelnden Wirkung des eisgekühlten Getränkes in eine entspannte Stimmung versetzen zu können. „Schon morgens fing das Dilemma an.“, fuhr sie fort. „Hätte ich bloß auf die warnenden Signale gehört und wäre in meinem kuscheligen Bett geblieben. Damit hätte ich mir eine Menge erspart! “
Solche harschen Worte waren Marion und ich von unserer ansonsten optimistisch gestimmten Freundin nicht gewohnt. Deshalb schauten wir sie erstaunt an. Marion gewann als Erste ihre Fassung zurück. „Was ist denn so Entsetzliches passiert, dass du so mies drauf bist?“
„Ach, es begann damit, dass unsere fast neue Kaffeemaschine den Geist aufgab. Dabei ist sie doch für unseren frühen Tagesbeginn so besonders wichtig. Zuerst hat sie lautstark gebrodelt, danach laut gezischt und zum Abschluss nur noch ächzend geröchelt.“
„Ich verstehe dich voll und ganz. Nichts ist deprimierender, als den Morgen ohne koffeinhaltigen Muntermacher überstehen zu müssen!“
„Danke für dein Mitgefühl, Dora!“
Marion meinte dagegen, eine defekte Kaffeemaschine wäre doch wohl nicht der Weltuntergang. Schließlich gäbe es zur Not auch die Möglichkeit, das Heißgetränk auf die herkömmliche Art zuzubereiten: Kaffeepulver in einen Becher geben, kochendes Wasser drauf, umrühren, fertig.
Ich meldete daraufhin Bedenken an. „Also mich würden die lästigen Krümel stören. Zuerst schwimmen sie obenauf. Sie setzen sich ja erst später zum restlichen Kaffeesatz am Grund der Tasse. Damit erschweren diese fiesen Körnchen zweifellos den Zugang zur unerlässlichen morgendlichen Stimulans und schränken derart den Kaffeegenuss ein, obwohl gerade der für die wirkungsvolle Aufwachphase einfach unverzichtbar ist.“
Des Weiteren führte ich meinen Stammtischfreundinnen weitere Nachteile der aufgebrühten Variante vor Augen. Zum einen entnehme ich als Anhängerin der Sterndeutung die Entwicklung des Tagesgeschehens sowieso dem Horoskop und nicht dem Kaffeesatz. Demzufolge erübrigt sich die Verwendung desselben als prognostisches Hilfsmittel. Andererseits widerstrebt mir auch aus ethischen Gründen sein Einsatz als Dünge- oder gar Schädlingsbekämpfungsmittel. Denn meines Erachtens ist es unsittlich, Lebensmittel nicht ihrem Zweck entsprechend zu verwenden.
Zudem hinterließe der in meinen Blumentöpfen verrottende Kaffeesatz einen merkwürdigen Eindruck bei den Mitgliedern meiner Bärensippe und deren Besuchern. Ergo gestaltet sich die Entsorgung des nunmehr wertlosen krümeligen Kaffeepulvers einigermaßen mühsam.
„Dann hilft nur Eines. Die arbeitsunwillige Maschine muss eben von deinem Rüdiger repariert werden!“, sagte Marion ungerührt. „Schließlich gehören sowohl Instandsetzungsmaßnahmen als auch Handwerksarbeiten zum Aufgabenbereich der Ehemänner.“
Ich konnte dem nur zustimmen. „Während wir Frauen besser mit lebenden Organismen zurecht kommen, wie zum Beispiel Haustieren, Grünpflanzen und Kindern, können Männer allem Anschein nach mit toter Materie binnen kurzer Zeit eine innige Beziehung aufbauen.“ Und Renate ergänzte: „Sie muss nur mit Strom betrieben und/oder aufgeschraubt werden können.“
„Dieser Sinn für Technik“, fachsimpelte Marion, „umfasst Bohrmaschinen und Sägen im Allgemeinen sowie Megadingsbytes und Elektrotechnikteledings im Besonderen. Dazu zählt selbstverständlich auch die Kaffeemaschine!“
Obwohl meine Freundin Marion sehr couragiert und souverän durchs Leben schreitet, gehört sie offensichtlich genauso wie ich zu den Anhängerinnen der traditionellen Rollenverteilung. Wenngleich diese Form der itrafamiliären Arbeitsteilung in überemanzipierten Kreisen nicht auf uneingeschränkte Zustimmung stößt und somit häufig Anlass zu albernen Disputen in nachmittäglichen Talkshows bietet.
„Den Morgen ohne frischen Kaffee zu beginnen“, hob Marion erneut an, „ist sicher unangenehm. Trotzdem kann und darf dir diese Lappalie doch nicht den ganzen Tag vermiesen.“
„Das war ja auch erst der Anfang.“, entgegnete Renate. „Damit kam die Lawine erst ins Rollen.“
„Und war das jetzt der berühmte Tropfen, der das Fass überlaufen ließ? Bist du deshalb in dieser miserablen Stimmung?“, wollte Marion wissen.
„Tut mir wirklich leid, euch heute mit meiner Übellaunigkeit behelligen zu müssen. Ich hoffe, es ist nicht ansteckend.“ Betreten schaute Renate auf ihre Hände. „Aber langsam wird es besser.“
„Eben, dafür ist doch unsere Weiberstammtischrunde da. Wo sonst, wenn nicht hier unter uns können wir Dampf ablassen! Also lass uns weitere Details deines katastrophalen Tages hören.“
„In Ordnung! Am Nachmittag wollte ich dann meine Kinder zu mittelschweren Arbeiten in unserem Haushalt heran ziehen. Staub saugen und Wäsche aufhängen. Ihr versteht?“
Zustimmend nickten Marion und ich Renate zu. „Imke“, fuhr sie daraufhin fort, „schob aber Hausaufgaben und einen Kurzvortrag vor. Und Tim weigerte sich tatsächlich, `Frauenarbeiten` zu erledigen. In diesem Moment schoss mein Adrenalinspiegel in ungeahnte Höhe.“
Diese Situation kennen sicher alle Hausfrauen und Mütter. Vergebliche Versuche, die Kinder zum Aufräumen ihrer Zimmer zu animieren oder von Vornherein zum Scheitern verurteilte Bemühungen, sie zu anderen ungeliebten häuslichen Verrichtungen zu bewegen, hinterlassen ein ohnmächtiges Gefühl. Ich war da keine Ausnahme. Renate und Marion hatten ähnliche Erfahrungen gemacht.
„Den gleichen Spruch bekomme ich häufig von Max- Felix zu hören. Er beruft sich genauso auf seinen männlichen Hormonspiegel, um sich vor putzigen Tätigkeiten im Bardschen Hause zu drücken. Und Marie- Lisa stellte jüngst fest, dass nicht sie sondern ja wohl ich die Mutter sei. Damit schien für sie klar, wer von uns der so genannte Haussklave sein müsse.“
Nach einem Schlückchen stärkenden Proseccos ergänzte Renate ihren vertraulichen Bericht: „Na, bei der erwähnten Bemerkung von Tim kochte mein Blut jedenfalls hoch. Plötzlich hörte ich es in meinen Ohren rauschen. Dann kann ich mich nur noch daran erinnern, dass Imke und Tim mich fassungslos anstarrten und sich auffällig beeilten, meinen Wünschen doch noch nachzukommen.“
„Wahrscheinlich hatten sie Mitleid mit deinem desolaten Zustand.“, meldete ich mich zu Wort.
„Ach, Quatsch. Sicher hat dein Gefühlausbruch ungeahnte Überzeugungskraft gehabt!“, konstatierte Marion dagegen sachlich.
„Sagt mal, habt ihr diesen unerhört realistischen Film gesehen, in dem sich ein zarter Wissenschaftler in Sekundenschnelle zu einem froschgrünen Muskelmonster verwandelt?“ Irgendwie tauchte gerade in diesem Moment die Vision jenes Ungetüms vor meinem geistigen Auge auf. „Leider fällt mir der Name dieses Wesens nicht ein. Aber irgendwie ähnelte er einem Schluckauf.“
„Meinst du etwa, meine Kinder haben mich so gereizt und zur Weißglut gebracht, dass ich Rot sah und zur grünen Bestie wurde?“ Renate kicherte vergnügt. Marion dagegen zog ihre Brauen in die Höhe, verengte ihre Augen und brummelte:
„Wisst ihr, was meine Ableger in solchen prekären Situationen zu mir sagen?
     
 

Sie wären schließlich gerade in der schwierigen Phase der Pubertät und bedürften der Schonung. Andere Mütter hätten weitaus mehr Verständnis für ihre Kinder als ich. Da fahre ich dann für gewöhnlich aus meiner Haut. “
An dieser Stelle gewährte uns das unerbittliche Schicksal einen unerwarteten Blick in seine tückischen Karten. Marion, Renate und mich überkamen unlogischerweise nach zahlreichen Jahren Hausfrauendasein und Mutterschaft Zweifel an unseren fürsorglichen aber auch pädagogischen Fähigkeiten. Überforderte uns etwa die Versorgungs- und Erziehungsarbeit, geriet damit die familiäre Harmonie in Gefahr und drohten wir in unserer Funktion als Hausfrau und Mutter zu scheitern?
Angespannte Stille breitete sich aus. Mit leiser Stimme bekannte Marion, bereits am Vortag über diese These nachgedacht zu haben. Ihr Uwe rief sie nämlich gestern vom Büro an, um sich zu erkundigen, welche kulinarische Köstlichkeit er zum Abendbrot erwarten könne. Falls sie diesbezüglich noch keine konkreten Pläne hätte, wünsche er sich einen eigenhändig von seiner liebsten Ehefrau zubereiteten Kaninchenbraten. Er wäre aus einer unvermittelten Laune heraus zum hiesigen Discounter geeilt, stünde dort gerade vor den Superpreiswert- Sonderangeboten. Dazu zähle in dieser Woche zufälligerweise besagte Fleischerware, bei deren Anblick Uwe schlagartig ein unbändiger Heißhunger befallen hätte.

„Aufgrund meiner unübertroffenen Kochkünste wäre ihm diese ausgezeichnete Idee gekommen. Er würde uns zum Abendbrot solch ein totes Tier mitbringen. Ich war total benebelt von der ganzen Lobhudelei, förmlich wie in Trance stimmte ich zu.“
Nach einer kurzen Analyse des Telefonats realisierte Marion allerdings folgerichtig, dass sie nunmehr zu später Abendstunde einen fulminanten Braten zubereiten sollte.
„Scheinbar genügte die von mir tagtäglich dargereichte vollwertige Nahrung meinem Uwe nicht. An einem ganz normalen Wochentag gelüstete es meinen Gatten nach einem Sonntagsbraten. Wie ist das bei euch? Zaubert ihr an einem regulären Arbeitstag ein Festtagsmenü?“
„Ach was! Da kann ich dich beruhigen. Mein Olibär bekommt unter der Woche ebenfalls einfache Mahlzeiten. Das betrifft sowohl die Menge als auch Zusammensetzung seiner Speisen. Zugegeben, er lechzt das eine oder andere Mal auch nach üppiger und deftiger Hausmannskost.“
„Und dann? Wie stillst du dieses unübliche Verlangen?“ Wissbegierig schaute mich meine Freundin Marion an.
„Unter uns gesagt, Marion, heißen meine unheimlichen Musen Maggi und Knorr. Sie sind während meiner Hausfrauenjahre zu unerlässlichen Küchenhilfen geworden. Mit ihrer beider Hilfe beglücke ich im Handumdrehen meinen hungrigen Gemahl und zaubere sogar zuweilen einen orientalische Gaumenschmaus. So eine sinnvolle Erfindung wie die Bechersuppe ist ja in Null Komma fix zubereitet. Die ähnelt zwar nur im weitesten Sinne dem unübertroffenen Braten meiner Schwiegermutter Doris, aber beklagt hat sich mein asiatisches Panda- Bärchen noch nie. Zumindest nicht bei mir. Na ja, im Wurstland atmet er dann allerdings alle Nahrungsmittel ein, die durch seine Mutti emsig in der Vorratskammer angehäuft wurden und dort geduldig auf ihn warten …“
„Das heißt, meine Hausfrauen- und Gattinnenfertigkeiten liegen im Durchschnitt!“ Marion seufzte erleichtert auf. „Gott sei Dank bin ich normal! Das beruhigt mich fürs Erste.“
„ Wisst ihr, was genauso bemerkenswert ist?“, erkundigte ich mich.
„Na sag schon!“, kam es im Hausfrauenchor.
„Normalerweise machen sich meine Lieben in Erwartung kleinerer und größerer Arbeitsaufträge dünne. Aber wenn ich in meiner Küche rotiere, es duftig aus diversen Töpfen und Pfannen riecht, dann finden sich erstaunlicherweise alle Mitglieder der Bardschen Sippe ein: mein unersättlicher Olibär, unsere darbenden Kinder Max- Felix und Marie- Lisa, aber auch mein schnüffelnder Zottel Tyson und natürlich unsere stolze Mietze Minka!“
Ich berichtete, dass unsere Stubentigerin bei keinem Festschmaus fehlen durfte. Schon in der Vorbereitungsphase nimmt sie mit sicherem Gespür die aromatische Witterung der erlesenen Köstlichkeiten auf, verlässt trotz ihres reifen Alters und ihrer gehobenen Position in Windeseile ihren bequemen Beobachtungsposten, um ihre Angestellten mit lautem Miauen und schnurrendem Betteln zur Herausgabe einiger Kostproben zu bewegen. Getreu dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein.“ unterwandert sie mit dieser nachdrücklichen Methode die mächtigen Mauern meiner mentalen Festung, bringt sie schließlich zum Einsturz.
Daraufhin versorge ich sie mit diversen Häppchen, was meinen emanzipierten Tyson veranlasst, ebenfalls um Aufmerksamkeit zu buhlen. Genauso verfahren auch meine anderen, nicht minder ausgezehrten Familienmitglieder. Diesem Belagerungszustand bin ich auf Dauer nicht wirklich gewachsen. Sobald mein schmackhaftes Werk endlich vollbracht ist, gebe ich auf und ziehe mich zurück, während in meiner Küche eine Schlacht um die kulinarische Köstlichkeit beginnt.
Renate sagte daraufhin verwundert: „Diese Begeisterung deiner Lieben für deine Kochkünste müsste dich doch eigentlich froh stimmen.“
„Ja und es ehrt mich wirklich sehr, bestätigt mich in meiner Rolle als Hausfrau, Gattin und Mutter. Doch bedarf es immer der außergewöhnlichen Taten, um unseren Lieben ein anerkennendes Lob abzuringen und bei Ihnen bewundernde Achtung zu finden?
Warum tut es nicht auch einmal ein einfaches Rührei mit Schinken, ein bescheidener Salat mit Croutons beziehungsweise ein simples Trockenfutter mit Flocken? Bei deren spartanischem Anblick verziehen sich die Gesichter meiner Fürsorgeempfänger zu verzerrten Masken. Selbst Tyson und Minka rebellieren zuweilen gegen schlichte Mahlzeiten, ziehen ihre enttäuschten Schnäuzchen kraus.“, lamentierte ich.
„Als Hausfrauen sind wir genetisch bedingt zur Versorgung unserer Lieben berufen, Dora. Mit Leib und Seele umsorgen, hegen und verpflegen erfüllt uns mit freudiger Genugtuung.“ Marions unerbittlicher Realitätssinn überzeugte mich nicht. Ich entgegnete: „Doch wie du eben gehört und auch am eigenen Leib erfahren hast, genügen wir scheinbar den außerordentlichen Ansprüchen unser Fürsorgebefohlenen nicht immer in vollem Umfang. Sind wir folglich dieser außerordentlichen Aufgabe überhaupt gewachsen?“
Selbstverständlich erwies sich unser Hausfrauenstammtisch erneut als geeignete Plattform für derartige Erörterungen. Doch um uns nicht in haltlosen Behauptungen zu verlieren und in unbegründeten Mutmaßungen zu ergehen, schlug ich vor, diese Vermutung tiefgründig zu untermauern. Somit griffen Marion, Renate und ich zum wissenschaftlichen Mittel des Experiments.

Die wesentlichen Eckpunkte meines aufschlussreichen Versuches entnehmen Sie bitte der Episode „Das Experiment“.